Von einer Party-App zur erfolgreichen Selbstmarketing-Maschine. HypeWave soll Talent neu definieren. Wir haben mit James und Trey über ihre Gründung, Hürden und ihr großes Ziel gesprochen. Ein Doppelinterview.

Erst Kindheitsfreunde, jetzt Geschäftspartner: James Montgomery und Tresston (Trey) Ray waren schon immer ein gutes Team. Sie können aber auch gut ohne einander auskommen. Aus ihrer Sicht eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man gemeinsam erfolgreich werden kann. Und das sind sie bereits: Seit Dezember letzten Jahres arbeiten sie an dem Konzept, Anfang Mai ist ihre App HypeWave auf den Markt gekommen, die täglich bereits 1.000 aktive NutzerInnen hat.

Mit ihrer Social-Media-App wollen sie unentdeckte Talente berühmt machen. Als KünstlerIn stellt man Videos oder Fotos der eigenen Kunst in die App. Unterschiedliche Kategorien, wie beispielsweise Mode, Musik oder Tanz, und die Geolocation sollen dabei helfen, interessante Personen in der Umgebung zu finden. Das ist natürlich auch für Unternehmen spannend, die gerne mit aufstrebenden KünstlernInnen kooperieren wollen. Für sie ist es aktuell schwer, unentdeckte Talente zu finden. Und auch für KünstlerInnen ist es nicht leicht, Unterstützer zu finden. Die App soll genau diese Verbindung schaffen, ganz ohne hohe Followerzahlen oder wechselnde Algorithmen.

Eure App HypeWave, mit der ihr jungen Talenten ins Rampenlicht helfen wollt, ist seit drei Wochen gelauncht. Hat es schon bei jemandem geklappt?
Trey: Allerdings! Er heißt Christoph und hat schon seit Jahren eigene Musik gemacht. Bisher hat ihm aber die Plattform gefehlt, um sein Talent auch einem größeren Publikum zeigen zu können. Über HypeWave haben wir ihn, sozusagen als Vermittler, mit verschiedenen Marken und Unternehmen in Kontakt gebracht. Darüber hat er jetzt tatsächlich ein Plattenlabel gefunden. 

Wie seid ihr eigentlich auf die Idee für die App gekommen?

Trey. Foto: Johanna Röhr
Trey. Foto: Johanna Röhr

Trey: Eigentlich hat alles mit einer Party-App angefangen, die sehr beliebt war und von Tausenden genutzt wurde (lacht). Wir haben gemerkt, dass Leute gerne feiern und wissen wollen, wo die beste Party steigt. Und, dass Partyveranstalter gerne von ihren Partys erzählen. Sie wollen, dass jeder weiß, dass SIE die coolste Party geschmissen haben.
James: Nach einiger Zeit hat uns ein befreundeter Musiker aus Brooklyn gefragt, ob er unsere App dafür nutzen könnte, seine Auftritte zu promoten. Mit Instagram und YouTube hatte er gar nichts am Hut. Wir haben erst nicht verstanden, warum er das über unsere App machen will. Dann hatten wir den Eindruck, dass er einfach eine Plattform braucht, die ihm dabei hilft, sein Talent auf ein Podest zu stellen. Heute wird man berühmt, weil man viele Follower hat und nicht, weil man besonders gut ist – wir wollen neue Influencer hervorbringen, die wirklich talentiert sind. 

In der Schule wird dir nicht beigebracht, wie du ein Unternehmen aufbaust. Dir wird beigebracht, wie du für andere arbeiten sollst. 

Habt ihr etwas mit Business studiert?

James. Gründer der App HypeWave. Foto: Johanna Röhr
James. Foto: Johanna Röhr

James: Alles, was mit Technik zu tun hat, habe ich in YouTube-Tutorials gelernt. Ich habe den Spanischunterricht geschwänzt, um mir Ted-Talks von allen Finanz- und Tech-CEOs anzuschauen. In der Schule wird dir nämlich nicht beigebracht, wie du ein Unternehmen aufbaust. Dir wird beigebracht, wie du für jemand anderen arbeiten sollst.
Trey: Ich habe Marketing studiert, mein Studium aber nach ein paar Semestern abgebrochen. Mir wurden dort verrückte Sachen beigebracht, die ich wahrscheinlich nie anwenden werde. Die Dinge, die wirklich wichtig für unser jetziges Business sind, habe ich hauptsächlich im Gespräch mit erfolgreichen GründerInnen und von unseren MentorInnen gelernt. Die beraten uns nicht nur darin, wie man Geld verdient, sondern geben auch Tipps, wie man eine gute Work-Life-Balance etablieren kann.

Apropos Work-Life-Balance: Wie läuft das eigentlich so bei euch?
Trey: Unsere Arbeit bestimmt unser Leben. Jeden Morgen stehen wir auf und schreiben sofort E-Mails, telefonieren oder haben Meetings. Manchmal ist das mit der Balance ziemlich schwer.
James: Es macht uns Spaß, abends auszugehen und mit Menschen über unsere Ideen zu sprechen. Das ist für uns Entspannung. Wir haben aber zum Beispiel mal versucht, an bestimmten Tagen gar nicht zu arbeiten. Das hat nicht funktioniert. Wir treffen beim Ausgehen immer irgendwelche Leute, mit denen wir dann am Ende doch wieder über die App sprechen. Networking macht man einfach immer und es ist toll in einem Umfeld zu sein, das hungrig nach Kreativität und Innovation ist.

Wenn du in Alabama „Tech“ sagst, versteht dich keiner: Es ist, als würdest du eine andere Sprache sprechen.

Ihr kommt eigentlich aus Alabama und seid für euer Projekt jetzt nach New York City gezogen. Ist das Umfeld hier wirklich so anders?
James: Alabama ist eine tolle Stadt. Aber es gibt dort keine Ressourcen für junge Gründer wie uns. Wenn du in Alabama „Tech“ sagst, ist es, als würdest du eine andere Sprache sprechen. Die Menschen dort verstehen dich nicht. In New York hingegen versteht man uns und wir kommen mit viel mehr Menschen in Kontakt. Das war und ist eine große Möglichkeit für uns. Wenn man den Sprung nicht wagt, kann man nicht fliegen.
Trey: An unserem ersten Tag in New York waren wir total überwältigt. Als wir noch in Alabama waren, dachten wir: New York? Das wird easy, wir rocken das! Dann waren wir hier und es war doch nicht so einfach, wie wir dachten. Die Stadt ist so groß und wir waren so müde am Anfang. Wir haben Tag ein Tag aus gearbeitet. Wir hatten keine Ahnung, wie wir uns hier ein Netzwerk aufbauen sollen.
James: Um Leute kennenzulernen, sind wir zu kleinen Aufführungen auf der Straße oder in der U-Bahn gegangen. Und das hat funktioniert, wir haben sehr viele talentierte Menschen getroffen. Seitdem ist so viel passiert. Wenn ich jetzt zurückschaue, denke ich: wir haben in sehr kurzer Zeit sehr viel erreicht.

Mittlerweile habt ihr verschiedene Unterstützer an Board. Wie seid ihr mit diesen Personen in Kontakt gekommen?
James: Ich wusste damals, dass es einen Professor an meiner Uni gab, der sich sehr gut mit Investment auskennt und gute Kontakte in der Wirtschaft hat. Eigentlich arbeitet er nur mit Master-Studenten zusammen, ich bin aber trotzdem jeden Tag in sein Office gegangen, bis er mir gesagt hat: Ich helfe euch! Sein Netzwerk hat letztlich zu unserer ersten finanziellen Unterstützung geführt.
Außerdem hat uns Vladimir, jetziger Mentor, extrem viel geholfen. Wir haben ihn in San Francisco auf einer Tech-Konferenz kennengelernt. Die Bedingung für seine Unterstützung war: Kommt nach New York City. Hier hat er uns kostenlose Büroräume zur Verfügung gestellt und uns mit mehreren Investoren in Kontakt gebracht. Der nächste Unterstützer war dann der Vater meines Mitbewohners. Er sagt noch immer zu uns: „Wann immer ihr 15.000 oder 20.000 Dollar braucht, lasst es mich wissen“. Wenn du erst mal ein paar Leute auf der Tanzfläche hast, wollen alle tanzen. 

Du kannst nichts dazulernen, wenn du nicht scheiterst. Ich würde das nicht einmal als Fehler bezeichnen. Es sind Lernerfahrungen.

Was habt ihr vor der App gemacht?
Trey: Witzigerweise haben wir eigentlich genau das gemacht, was wir jetzt auch mit unserer App versuchen. Wir haben versucht, junge, talentierte KünstlerInnen mit verschiedenen Galerien zusammenzubringen.
James: Wir hatten schon immer viele Ideen, haben Apps für andere Leute konzipiert, einen Lifestyle-Blog gestartet und T-Shirts designed, die wir sogar mal an Urban Outfitters geschickt haben.

Und hat es geklappt?
Trey: Leider nein (lacht). Von Urban Outfitters kam nur zurück: „Danke, Jungs, tolle Designs. Aber wer seid ihr überhaupt?“ Was aber wirklich witzig ist: Unsere Väter wollten, als sie jünger waren, auch mal zusammen ein Unternehmen aufziehen.
James: Wir ja auch! Trey und ich haben schon in der 10. Klasse versucht ein Business aufzubauen, ich wollte dafür sogar meine Highschool schmeißen. Wir haben versucht einen 50.000 Dollar Kredit zu bekommen, um ein Restaurant oder einen Klamottenladen aufzumachen. Ideen hatten wir immer viele. 

Es klingt so, als hättet ihr gar keine Angst zu scheitern.
James: Mehr noch: Man muss scheitern. Du kannst nichts dazulernen, wenn du nicht scheiterst. Ich würde das nicht einmal als Fehler bezeichnen. Es sind Lernerfahrungen.
Trey: Ja, wenn sehr früh etwas nicht klappt, kann man leichter seine Fehler korrigieren. Und mit jeder Erfahrung werden wir besser. Weil wir Dinge loslassen, die uns schlechter machen.

Die Leute investieren nicht in unser Produkt, sondern in uns als Personen.

Aber man verliert eventuell einen Haufen Kohle…
Trey: Geld kommt und geht. Aber das Wissen, das wir aus diesen Erfahrungen ableiten, wird uns helfen, an die Spitze zu kommen.
James: Die Leute, die in uns investieren, investieren nicht in unser Produkt. Sondern in uns als Personen. Bei einem Pferderennen würde man also nicht auf das Pferd, sondern auf den Jockey wetten. Unsere Investoren sagen zu uns: “Wir stehen hinter euch, weil wir denken, dass ihr Dinge möglich machen könnt.“ Und wenn etwas nicht klappt, dann liegt das am Ende aus ihrer Sicht nicht an uns, sondern an den fehlenden Ressourcen. Dann sagen sie: „Wenn ihr die Ressourcen habt, dann wird sich auch alles andere ergeben.“

Die jungen Gründer James (links) und Trey (rechts) von der App Hypewave. Foto. Johanna Röhr
James (links) und Trey (rechts). Foto. Johanna Röhr

Es scheint ja richtig gut bei euch zu laufen. 
James: Ja schon, ich wünsche mir aber eigentlich, die Menschen wüssten, aus welch kleinem Ort wir kommen. Und wie schwierig es war, da rauszukommen. Obwohl wir in wirklich guten Verhältnissen aufgewachsen sind. In der Tech-Branche gibt es nicht viele Menschen, die so aussehen wie wir und das machen, was wir machen. Wir hatten unzählige Herausforderungen und Barrieren vor uns, die wir überwinden mussten. Wir mussten immer drei Schritte voraus sein und härter arbeiten als viele andere, weil wir nicht die gleichen Chancen haben.

Von welchen Herausforderungen und Barrieren sprichst du genau?
James: Ein junger schwarzer Mann zu sein, der versucht, in der Tech-Branche Geld zu verdienen, das ist eine sehr schwierige Sache. Es gibt kaum Schwarze in der Tech-Branche. Dieses Umfeld ist nicht mit Menschen gefüllt, die so aussehen wie wir. Sie ist aktuell einfach nicht vielfältig. Wir wollen das ändern.

Wie genau wollt ihr das ändern?
James: Die einzige Möglichkeit ist, den Weg für die kommende Generation zu ebnen. Um diese Barrieren zu zerschlagen, muss man stark, zuverlässig und passioniert sein. Manchmal träume ich davon, wie unsere Kinder einmal zu uns hinauf schauen und sagen werden: „Ich will nicht BasketballerIn werden, Football spielen oder Musik machen. Ich will ein Tech-Startup gründen.“ Deswegen muss jetzt jemand da sein, um unsere Kinder zu repräsentieren. Ich habe das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind, genau diese Repräsentanten zu werden. 

Titelbild: Johanna Röhr

Johanna Ronsdorf
Johanna hat mal in einer Band gesungen, die unter anderem auf Hochzeiten auftrat. Für WeltN24 hat sie schon Sigmar Gabriel interviewt, für Edition F Advertorials geschrieben und Webinare moderiert, auf Fink.Hamburg Reportagen veröffentlicht und bei der International Justice Mission in Washington D.C. dafür gesorgt, dass mehr Menschen davon erfahren, dass Sklaverei noch immer ein Problem ist.
Johanna Röhr
Johanna arbeitet im Social-Media-Team von Spiegel Online und ist Dozentin für Rhetorik an der Uni Passau, hat aber auch schon als Stadionmoderatorin der Frauenmannschaft des FC Bayern gearbeitet. Zudem ist sie Autorin eines Münchner Stadtführers. Was sie liebt: Roger Federer, Federweißer, Federball – und federleichte Alliteration (so sorry). Was sie hasst: nachdenkliche Sprüche auf Sonnenuntergangsbildern.