Im Grunde genommen eine einfache Frage: Welche Bedeutung hat Arbeit? Eine Frage, die einen beschäftigt und nicht selten zwiespältig zurück lässt – auch mich nicht.

Ich arbeite gerne. Was ich mache erfüllt mich und am Ende freue ich mich über Anerkennung. Es geht vermutlich vielen ähnlich wie mir, ein einfaches „Danke“ von KollegInnen, ein „gut gemacht“ vom Chef oder der Chefin oder aber das Lob von KundInnen entschädigen für viele Entbehrungen. Das Gefühl meine Arbeit gut zu machen, gibt mir Bestätigung, über die ich mich häufig definiere.

Dafür arbeite ich schon mal länger, lasse die Mittagspause ausfallen oder komme für die letzten Vorbereitungen eines Termins am Morgen etwas früher. Vorbildlich, nicht wahr? Oder heutzutage einfach nur dumm? Denn Unternehmen nutzen diese Bereitschaft häufig aus. Hinzu kommt, dass ich von Mehrarbeit ohne den notwendigen Ausgleich gar nichts halte. Als starke, junge Frau erst recht nicht. Ich empfinde es als ungerecht, lasse mich aber dennoch immer wieder dazu hinreißen. Warum?

Da wären wir wieder bei dem eingangs genannten Zwiespalt angekommen. Denn sobald die nötige Anerkennung ausbleibt, kommt bei mir schnell die Frage auf: Wofür arbeite ich eigentlich?

Welche Bedeutung hat Arbeit?

„Arbeit = als Beruf ausgeübte Tätigkeit.“ Das sagt zumindest die offizielle Definition – mit dem primären Ziel, Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. In vielen Berufen ist das schon schwer genug. Manchmal sind sogar zwei oder mehr Jobs dafür notwendig. Da wird dann nicht hinterfragt, warum man gerade diesen Job macht. Es geht schlicht darum, ein Dach über dem Kopf zu haben, sich das Essen auf dem Tisch leisten zu können. Kurz: um zu überleben.

Hat man das Glück einen besser bezahlten Job auszuüben, der mehr als nur die Grundbedürfnisse deckt, geht es schnell um Individualisierung und Selbstverwirklichung. Und: Ja, das ist Glück. Niemand sucht sich aus, auf welchem Kontinent und in welche Familie er oder sie geboren wird. Bildung ist nicht jedem zugänglich. Von Chancengleichheit gar nicht zu sprechen.

Wenn man dann aber Glück hat, dann werden Unternehmen attraktiv, die ein höheres Ziel verfolgen, wie NGO’s oder soziale Unternehmen. Aber auch Unternehmen, die einem erlauben kreativ zu sein und sich selbst zu verwirklichen, wie Google, Apple und Microsoft. Es reicht nicht mehr aus, „nur“ Geld zu verdienen. Die Arbeit soll einen Mehrwert für die Gesellschaft sein, die Welt verbessern oder einen zumindest erfüllen.

Gerade hier in New York leben diese zwei Extreme direkt nebeneinander. Wir waren mit der Kamera auf den Straßen New Yorks unterwegs und haben gefragt: „Welche Bedeutung hat Arbeit für dich?“

Video: Ines Timm

Jeder Mensch arbeitet aus einem anderen Grund und aus einer anderen Motivation heraus. Der Taxifahrer, der den „American Dream“ verfolgt oder die Altenpflegerin, die gerne anderen Menschen hilft und froh ist, wenn am Ende des Monats noch etwas Geld zum Shoppen übrig bleibt.

Dann denke ich wieder an mich selbst. Ich gehöre zu den gut ausgebildeten Frauen. Zu denen, die sich selbst verwirklichen wollen – und können. Deshalb ärgert es mich auch, wenn Unternehmen nicht aufmerksam sind, Veränderungen nicht wahrnehmen und nach veralteten Strukturen arbeiten. Vielen Arbeitgebern ist es wichtiger, dass die Mitarbeiter von 9 Uhr bis 18 Uhr am Schreibtisch sitzen, als dass sie gute Arbeit leisten.

Wieso werden ArbeitnehmerInnen nicht mehr unterstützt, eigene Wege oder Arbeitsformen zu finden, um kreativ und effizient zu arbeiten? Ein Grund: ich. Wenn ich selbst ohne Forderungen nach Ausgleich mehr arbeite als vereinbart, werden Unternehmen nicht aufwachen und etwas daran verändern. Dabei ist es höchste Zeit.

Was aber können Unternehmen tun, um als Arbeitgeber auch zukünftig attraktiv zu sein?

Sicher gibt es hier große Unterschiede zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen. Start-Ups und kleinere Organisationen sind aufgrund ihrer Größe anpassungsfähiger und flexibler. Für sie ist es leichter, Arbeitsprozesse um- und flexibel zu gestalten. Dabei reicht es nicht, die reine Arbeitszeit anzupassen und den Rest beim Alten zu lassen.

Um als Unternehmen attraktiv zu bleiben, erfordert es ein grundlegendes Umdenken. Einen Schichtwechsel, wie ich es mal nennen möchte. Ich kann nicht in die Zukunft sehen. Aber die Zukunft der Arbeit wird sicher nicht sein, dass MitarbeiterInnen morgens um 9 Uhr zur Arbeit kommen und um 18 Uhr gehen (wenn’s gut läuft). Die Veränderung beginnt bereits beim Bewerbungsprozess.

Wann identifizieren sich Mitarbeiter mit einem Unternehmen?

Meine Gedanken dazu:

  • Sinn: Wer möchte schon für etwas Bedeutungsloses arbeiten? Unternehmen sollten versuchen, die Sinnhaftigkeit ihrer Unternehmensziele transparent zu kommunizieren und vorzuleben
  • Flexibilität: Vertrauensarbeitsort und Vertrauensarbeitszeit 
  • Offene Fehlerkultur: Fehler zulassen, daraus lernen und diese „Learnings“ an Mitarbeiter weitergeben. Fehler sind nicht peinlich. Wer einen Fehler macht, scheitert nicht, sondern gewinnt an Erfahrung und gelangt damit zu einem neuen Weg, es beim nächsten Mal besser zu machen. Die USA sind hier deutlich weiter, als wir in Deutschland.
  • Transparenz: Gleiche Bezahlung für Männer und Frauen, Bonussystem, Ausgleichsregelungen
  • Mitarbeiterentwicklung: Ehrliche Anerkennung und Leistungsbeurteilung nach klaren und transparenten Maßstäben mit Hilfe von Zielerreichungsplänen

Klar, das ist keine vollständige Liste. Dafür ist das Thema viel zu komplex. Es soll eher ein Gedankenanstoß sein, der Diskussionen anregt. Welche Punkte würdet ihr in der Liste noch ergänzen? Schreibt uns und lasst uns den Schichtwechsel gemeinsam voranbringen.

Titelbild: Marvin Ronsdorf
Vektor Play Button: Freepik

Ines Timm
Ines schreibt ihre Masterthesis zum Thema New Work und Change Kommunikation. Sie arbeitete in unterschiedlichen Werbeagenturen, unter anderem bei Scholz & Friends, und betreute Kampagnen für Kunden wie Siemens oder das Bundesverkehrsministerium. Zuletzt unterstützte sie in ihrem Hochschulprojekt den Greenpeace e.V. im Digital Campaigning und arbeitet nebenbei als freie Kommunikationsberaterin für kleinere Unternehmen.