In unserer Serie „Around The Work“ stellen wir Menschen und ihre Berufe vor. Den Anfang macht Corinna. Die Stewardess aus Deutschland ist zum 5. Mal in New York gelandet. Sie ist glücklich mit ihrem Beruf – nur eine Frage findet sie extrem unverschämt. 

„Die häufigste Frage, die ich zu meinem Beruf gestellt bekomme: ‚Stimmt es, dass die Piloten immer mit den Stewardessen vögeln?‘“, sagt Corinna. Sie sitzt vor einem kleinen Café im Schatten auf einem der türkisfarbenen Gartenstühle, um sie herum ragen die endlosen, grauen Wolkenkratzer in den hellblauen Himmel. Das Sonnenlicht strahlt vom New Yorker Himmel und zeichnet gestochen scharfe Linien auf den Asphalt. Nur einen Tag ist sie in der Welt-Metropole. Sie genießt es, jede Woche in anderen Städten und Ländern zu sein. Corinna sitzt aufrecht, ohne angespannt zu wirken, ihre Hände umschließen ihre Kaffeetasse. Ihr Blick ist ruhig und aufmerksam, ihre Stimme wie aus Samt, sie könnte auch als Nachrichtensprecherin arbeiten. „Das ist doch eine unfassbar unverschämte Frage. Nirgendwo sonst wird so etwas gefragt“, sagt sie. „Niemand fragt dich als Sekretärin, ob du mit deinem Chef schläfst.“ Vielmehr würde sie sich über Fragen zu kulturellen Unterschieden freuen, oder auch einfach, in welche Länder sie gerne fliegt und in welche nicht. Corinnas Eloquenz und ihre Ruhe lassen sie älter wirken, als sie ist. Ohne sie als Stewardess erlebt zu haben, spürt man, dass der Job sehr gut zu ihr passt.

Wenn man sagt: ‚Ich freue mich auf die Arbeit, sie fehlt mir, wenn ich lange frei habe,‘ dann denken die Leute: ‚das kann keine richtige Arbeit sein‘ – Was für ein Quatsch!

Vor ihrem Job als Stewardess arbeitete Corinna in einer kleinen Agentur mit Schwerpunkt Sportmarketing. Heute hat sie das Gefühl, dass sie damals unehrlich zu sich selbst war: „Ich habe versucht, mich für den Job zu verändern.“ Diesen Druck habe sie jetzt nicht mehr. „Mein aktueller Job passt gut zu meinen Charaktereigenschaften.“ Immer wenn sie von ihrem Job spricht, umspielt ein leichtes Lächeln ihren Mund. Sie sieht glücklich aus. „Das Interessante ist: es ist so akzeptiert – fast ein Muss – von seinem Job gestresst und angestrengt zu sein. Das versteht anscheinend jeder“, sagt sie. „Wenn man aber sagt: ‚Ich freue mich auf die Arbeit, sie fehlt mir, wenn ich lange frei habe‘, dann denken die Leute: ‚das kann keine richtige Arbeit sein‘ – Was für ein Quatsch!“

Corinna arbeitet seit über einem Jahr als Stewardess. Foto: Johanna Röhr
Corinna arbeitet seit über einem Jahr als Stewardess. Foto: Johanna Röhr

Druck von außen, Definition von Erfolg – und das eigene Glücksgefühl

Wenn man ihren fließenden Erzählungen zuhört, merkt man schnell, dass sie sich intensiv mit sich selbst und dem Thema Arbeit beschäftigt. „Arbeit bedeutet für mich nicht nur, dass ich Leistung erbringe, sondern dass ich Menschen kennenlerne, Spaß habe und neue Orte sehe. Ich kann so günstig privat in den Urlaub fliegen“, sagt sie. „Wie viele Menschen arbeiten für ihren Jahresurlaub? Ich muss das nicht. Außerdem ist mein Arbeitgeber sehr flexibel und ich habe einen festen Vertrag.“ Auch das bedeutet Freiheit für sie.

Dann geht eine Schublade auf und man wird reingelegt – und oft nicht mehr rausgelassen.

In ihrer Agenturzeit beneidete Corinna fast jeder, wenn sie von ihrem Job sprach. Heute ist das anders. Aus ihrer Sicht hängt das mit dem Berufsbild zusammen: „Die meisten denken, wir sind Dummchen, die sich einen Piloten suchen, der sie heiratet. Die wenigstens stellen sich einen gebildeten Menschen vor, der in Washington ins National Archives Museum geht und sich über den Vietnam-Krieg informiert“, sagt sie. Ihrer Ansicht nach definieren wir uns alle über unseren Beruf. Wer auf einer Party gefragt wird, was er macht, erzähle nicht von seinen Hobbys, sondern von seinem Beruf. „Dann geht eine Schublade auf und man wird reingelegt – und oft nicht mehr rausgelassen.“ Der immerwährende Gefühlsmix aus Druck von außen, der Definition von Erfolg und das eigene Glücksgefühl beschäftigt und irritiert Corinna. „Es ist absurd: Wir sind so privilegiert, weil uns so viele Wege offen stehen. Und trotzdem limitieren wir uns selbst“, sagt sie. Das liegt aus ihrer Sicht an unserem privaten Umfeld. „Es gibt Wege, wo die meisten sagen: super gemacht. Und es gibt Wege, wo viele sagen: hm, das finde ich komisch.“

Niemand weiß, was er für immer machen will.

Wenn sie an die Zukunft ihres Berufs denkt, macht sie sich keine Sorgen. Auch wenn sie davon ausgeht, dass er sich verändern wird. Ein Großteil ihrer Aufgaben könnte auch von Maschinen übernommen werden. „Nur eine Sache nicht: die zwischenmenschliche Interaktion. Empathie zu zeigen, ist mit das Wichtigste, das ich an Board leiste.“ Ob Corinna für immer Stewardess bleiben will, kann sie nicht beantworten. „Wenn wir ehrlich zu uns sind, weiß niemand, was er wirklich für immer machen möchte.“ Darüber nachzudenken, wühlt sie richtig auf. „Ich weiß ja nicht mal, was ich übernächstes Jahr machen will“, sagt sie zum Abschluss. Was feststeht: nächste Woche geht es wieder nach New York. Das Guggenheim Museum steht noch auf ihrer Liste.

Fotos: Johanna Röhr

Johanna Röhr
Johanna arbeitet im Social-Media-Team von Spiegel Online und ist Dozentin für Rhetorik an der Uni Passau, hat aber auch schon als Stadionmoderatorin der Frauenmannschaft des FC Bayern gearbeitet. Zudem ist sie Autorin eines Münchner Stadtführers. Was sie liebt: Roger Federer, Federweißer, Federball – und federleichte Alliteration (so sorry). Was sie hasst: nachdenkliche Sprüche auf Sonnenuntergangsbildern.